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Jugendliche und junge Erwachsene aus unserem Kirchenkreis auf Spurensuche in Süddeutschland

2.7.2014

Unter der Leitung von Katja Pischke (KK Iserlohn) und Stefan Schick (Ev. KK Lüdenscheid – Plettenberg) machten sich 17 Teilnehmerinnen und Teilnehmer auf Spurensuche bei der ersten gemeinsamen Gedenkstättenfahrt.

Ziel war das internationale Jugendgästehaus in Dachau, unweit des ehemaligen Konzentrationslagers Dachau. Die Unterbringung und Verpflegung in dieser modernen Jugendherberge ließ keine Wünsche offen und so konnte sich die Gruppe voll und ganz auf das anspruchsvolle Programm in diesen 4 Tagen konzentrieren. Der erste Abend diente dazu, dass sich die Teilnehmenden kennenlernen konnten. Im Garten unseres Quartiers starteten wir nach dem Abendessen mit einigen lockeren Spielen. Da die Mücken wenig gastfreundlich zu uns waren, beschlossen wir nach einer Weile, die Fortsetzung mit einem Pantomimen-Spiel ins Innere des Gästehauses zu verlagern. Nach einem leckeren Frühstücksbuffett machten wir uns am Freitag auf den Fußweg zur KZ-Gedenkstätte. Klaus Schultz, Diakon an der Versöhnungskirche auf dem Gelände der Gedenkstätte, empfing und begleitete uns zu einem 2 ½ stündigen Rundgang. Der Weg führte uns vom Besucherzentrum (außerhalb des ehemaligen Lagers) direkt durch den früher einzigen Zugang, einem Tor mit der Inschrift „ARBEIT MACHT FREI“ Wenige Meter weiter standen wir dann schon auf dem Appellplatz, auf dem die Gefangenen oft stundenlang bei Hitze oder Frost zum Zähl- oder Strafappell stillstehen mussten. Das Lager Dachau war das am längsten bestehende Konzentrationslager. Zwischen Ende März 1933 und der Befreiung am 29. April 1945 durch amerikanische Truppen waren mindestens 200 000 Menschen hier inhaftiert, ungefähr 41 500 Menschen starben an diesem Ort und zahllose wurden von hier aus in Vernichtungslager transportiert. Die Häftlinge (die ersten Häftlinge waren politische Gefangene, erst später kamen Sinti, Roma, Homosexuelle und Juden hinzu) mussten sich nach ihrer Ankunft im ehemaligen Wirtschaftsgebäude (heute Ausstellungsgebäude) entkleiden, erhielten eine Nummer, mussten alle persönlichen Gegenstände abgeben und die Haare wurden ihnen geschoren, was –mit weiteren quälenden und erniedrigenden (Folter-) Methoden- zu einem weitestgehenden Verlust der eigenen Identität führen sollte. Im Eingangsbereich der Ausstellung zeigte uns der Diakon eine überdimensionale Landkarte, mit den wichtigsten KZ- und Arbeitslagern während der Nazidiktatur. Wir Besucher aus dem Märkischen Kreis mussten erschreckt feststellen, dass sowohl das Arbeitslager Hunswinkel (Listertalsperre), als auch Schwerte und zahlreiche weitere Orte in NRW eingezeichnet waren. Im Folgenden berichtete Herr Schultz, noch exemplarisch von einem Gefangenen, der in Lethmate geboren war, in Lüdenscheid wohnte und von einem ehemaligen Kiersper. Betroffen bemerkten wir jetzt, welche Kreise die Verfolgungsmethoden der Nationalsozialisten zogen. Wir gingen noch durch den sogenannten Bunker, einem Arrestbau. In diesem Gebäude waren etliche Steh- und Dunkelzellen, die zur Durchführung von Strafmaßnahmen herhalten mussten. Daneben wurden auch „Sonderhäftlinge“ dort gefangen gehalten, wie z.B. der Hitler-Attentäter Georg Elser, der kurz vor der Befreiung ermordet wurde. Ein weiterer bekannter Gefangener war der Pfarrer Martin Niemöller, der zuerst dem Nationalsozialismus positiv gegenüberstand, später aber zum Widerstandskämpfer wurde. Beim weiteren Rundgang übers Gelände erhielten wir noch weitere Einblicke. So konnten wir die zur Einweihung der Gedenkstätte wieder aufgebauten Baracken besichtigen und das Krematorium, welches außerhalb des Lagers lag. Auch an diesen Orten wurde uns durch die sehr authentischen Schilderungen des Diakons deutlich, mit wie viel menschenverachtendem Geist damals Menschen nicht nur ihrer Freiheit beraubt wurden, sondern durch Schikanen, Folter, Menschenversuchen und anderen geradezu unvorstellbaren Grausamkeiten sozusagen wie „Ware oder Material“ behandelt wurden. Ein Menschenleben zählte in dieser Zeit oftmals nichts. Zum Abschluss unseres Rundganges nahmen wir am Ökumenischen Versöhnungsgebet teil. Dies findet jeden Freitag um 12.30 Uhr unter dem Nagelkreuz von Coventry in der Versöhnungskirche statt. Am Nachmittag bestand Gelegenheit sich über das Gehörte und Gesehene auszutauschen, die Gedenkstätte samt Ausstellung eigenständig zu erkunden oder einfach bei einem Spaziergang seine Gedanken und Eindrücke etwas einzuordnen. Nach dem Abendessen stand ein Spielfilm auf unserem Programm. „Am Ende kommen Touristen“, ein Spielfilm um einen deutschen Zivildienstleistenden, der bei der Betreuung eines KZ-Überlebenden lernt, dass Vergangenheit und Gegenwart untrennbar verbunden sind. Ein Gespräch über den Tag und die Eindrücke des Films schloss sich daran an. Nachdem in diesem Film ein Zeitzeugengespräch eine gewisse Beachtung findet, so stand für uns am Samstagvormittag tatsächlich ein solches an.  Den Teilnehmenden öffneten sich bei den Erzählungen und dem anschließenden Gespräch mit dem Zeitzeugen Walter Joelsen weitere Blickwinkel.  dieser wurde in der NS-Zeit als „Halbjude“ abgestempelt und berichtete sehr lebendig und offen von seiner persönlichen Lebensgeschichte und seinen Erfahrungen in einem Arbeitslager. Am Nachmittag unternahmen wir gemeinsam eine Tour nach München. An der Universität war Gelegenheit die Ausstellung „DenkStätte Weiße Rose“ zu besichtigen. So erhielten wir auch einen Eindruck vom Widerstand, wie ihn einige junge Menschen damals praktizierten und mit ihrem Leben dafür bezahlten. An diese Ausstellung schloss sich ein geführter 2-stündiger Themen-Rundgang „München – Nationalsozialismus und Widerstand“ an. Die Gästeführerin zeigt uns die wichtigsten geschichtlichen Orte und gab die notwendigen Erläuterungen, so dass wir uns ein gewisses Bild der damaligen Zeit machen konnten. So erfuhren wir, dass Georg Elser erst 1997 durch die Namensgebung geehrt wurde. So lange brauchte es, bis das „schlechte Gewissen“ der Stadt willens war, diesen Widerstandskämpfer zu ehren…  Im Anschluss war noch freie Zeit, die zum Bummel durch München und das WM-Fußballspiel bis zum späten Abend hinreichend genutzt wurde. Der Sonntag verlief dann etwas anders als ursprünglich geplant war. Durch eine Buspanne bei der Hinfahrt konnten wir nicht den Zwischenhalt am Dokumentationszentrum Reichsparteitag in Nürnberg einlegen. So rückte dieser Programmpunkt ans Ende unserer Gedenkstättenfahrt. Wir verließen Dachau nach dem Frühstück und legten gegen Mittag eine lange Pause in Nürnberg ein. Mit Audioguides ausgestattet, erkundeten wir die Ausstellung in der unvollendet gebliebenen Kongresshalle, welche uns in den geschichtlichen Kontext des Nationalsozialismus einführte und die Ideologie Hitlers und seiner Gefolgsmänner veranschaulichte. Dieser Bericht schließt mit einem Zitat von Max Mannheimer (Überlebender von Theresienstadt, Auschwitz, Warschau und Dachau – nach ihm ist das dem Jugendgästehaus angeschlossene Studienzentrum benannt), welches in einem Fenster des Speiseraumes geschrieben steht: „Ich komme als Zeuge jener Zeit, nicht als Richter oder Ankläger. Ihr tragt nicht die Verantwortung dafür, was geschehen ist, wohl aber dafür, dass es nicht wieder geschieht.“  Stefan Schick  

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